Allein mit großen Wels

Wie ist das mit dem Drill eines echten „Urians“?

Ausgerechnet an diesem Tag, wollte ich alles anders machen und nicht so, wie sonst, einfach mit meinen Angelfreunden mit fahren, das ist zwar immer sehr unterhaltsam und nett. Doch wenn ich immer nur  so angeln würde, wie sie das machen, sind meine Chancen auf einen Großen eher kleiner. Manchmal muss man seinen eigenen Weg gehen und auf seine eigene Erfahrung setzen. Meine Freunde waren schon mit dem Motorboot unterwegs, so blieb für mich nur ein kleines 2,70 langes Schlauchbötchen mit 2 Paddel.Da ein Wels unseren Setzkescher mit Köderfischen angegriffen hat, war nur noch eine einzige, von den Bissen zu Tode gepresste, etwa 20 cm lange Karausche für mich übrig.

Ich lies diesen Fisch an einer Posenmontage in der Strömung „tanzen“, bis auf einmal die Pose verschwand, die Schnur zog ab und schon nach kurzer Zeit setzte ich mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft einen Anschlag, dann bin ich direkt fast ins Wasser gezogen worden, ich lies mich ins Boot fallen und hielt die Rute so fest ich nur konnte.
Ich hatte das kleine Boot an einem morschen Baum angebunden. Der Zug auf die Angelschnur war so stark, dass trockene Äste, die im Weg standen, krachend abgebrochen sind. Ich war allein, keiner konnte mir helfen! Obwohl ich die super Rhinorute von Zebco in der Hand hielt, hatte ich das Gefühl, dass ich diesen Fisch nicht aufhalten kann.
Ich stellte mich wieder hin, doch schon bei der ersten Flucht von über 100 Metern, ruckte der Fisch so stark in der Rute, dass ich wieder fast im Wasser lag und mich abermals auf den speziellen Luftboden des Schlauchbootes fallen lies. Die Frage war, löse ich das Boot und lass mich ziehen, oder bleibe ich dort am Baum. Da ich noch genügend Schurreserve hatte entschied ich mich dafür am Baum zu bleiben. Auf dem Boden sitzend, gab ich vollen Druck, volle Power! Ich spürte die unterschiedlich, heftigen Schwimmbewegungen des Fisches in der Rute und der Fisch kam nur dann zurück, wenn er gerade eine ruhigere Phase hatte!
Die Schnur hat gehalten und die Rute ist trotz aller Kraft nicht gebrochen. Aber sowie der Fisch in die Nähe des Bootes kam, wurde der Fisch auf einmal wieder dynamisch und zog wieder (für mich) unaufhaltsam ab.
Doch die Fluchten waren jedes Mal ein bisschen kürzer.
Bis dahin habe ich den Fisch noch nicht gesehen und fragte mich, wie groß der wohl ist und wie soll ich den überhaupt alleine in das Böötchen bekommen. Nach über einer Stunde hörten die langen Fluchten auf und der Nahkampf begann. Der Fisch zog permanent links und rechts in die Uferseiten, ich spürte, dass er sich dort aus kennt, das war sein zu Hause, er kannte jeden Baum und jeden Stein der im Wasser lag, einmal blieb auch ein über 5 m langer, dicker Ast in der Schnur hängen, doch diesen konnte ich wieder unproblematisch entfernen. Jetzt fing unterhalb der Rute das ganze Wasser an zu wirbeln und zu brodeln auf einer rundlichen Fläche von rund  10 Quadratmetern.  Als ich das sah, wurde es mir schon ein bisschen unheimlich. Nach einiger Zeit konnte ich ihn hoch pumpen, er schlug wütend, peitschend immer wieder mit dem Schwanz auf die Wasseroberfläche, um direkt darauf, unaufhaltsam in der Tiefe des Gumpens zu verschwinden. Der Fisch wurde langsam schwächer….dachte ich. Also Zeit den Fisch zu landen. Der gewaltige Kopf (breit wie meine Schultern) kam zur Oberfläche und ich versuchte ihn im Maul zu greifen, doch jedes Mal, wenn ich zupackte, erschrak der Fisch so sehr, dass ich ihn nicht halten konnte und er verschwand geradezu blitzartig wieder in der Tiefe. Ich zweifelte, ich fragte mich, wie ich dass nur schaffen soll?
Ich habe doch schon mit aller Konsequenz und mit all der mir zur Verfügung stehenden Kraft zu gegriffen, doch das reichte einfach  nicht. Der Fisch war einfach so groß und so stark! Was soll ich da nur so ganz alleine machen? Die Antwort ergab sich von selbst, ich gab nicht auf und machte einfach weiter. Ich versuchte es immer wieder, tatsächlich verlor der Fisch nach langer Zeit seine letzte Kraft immer noch schneller als ich.

Irgendwann nach vielen Versuchen habe ich es geschafft ihn mit einer Hand fest halten zu können, dann griff die 2te Hand zu und der Fisch mobilisierte seine letzten Kräfte. Er zog mich dabei wieder fast aus dem Boot.
Der Fisch wog offensichtlich mehr als ich. Bei dem total konsequenten Versuch den Fisch ins Böötchen zu holen, senkte sich die Kante vom Schlauchboot ab und die gegenüberliegende Seite hinter mir hob schon ab, um nicht zu kentern, ließ ich mich schnell zurückfallen und habe dabei den Fisch aber einfach nicht losgelassen. Das führte dazu, dass ein beträchtlicher Teil des Fisches bereits im Boot, auf meinen Bauch lag und der andere Teil noch im Wasser hing. Da lag er nun mit seinen kleinen Augen und seinem großem Maul.
Was mache ich jetzt fragte ich mich, der passt ja kaum in das Boot.
Schnell baute ich eine Sitzbank aus und kringelte und schob an dem Fisch mit aller Kraft, bis er endlich drin lag. Anschließend ruderte ich, schnell wie Obelix 200 m, um so den Fisch für die kommenden Bilder am nächsten Morgen auszubinden.

Dann war es nach langer Zeit wieder so weit, mir eine große, sehr gute Feiertagszigarre anzuzünden. Mit ruhigen gleichmäßigen Zügen genoss ich diesen Moment in der Ruhe der Nacht und lies mir in Gedanken das gerade erlebte noch einmal durch den Kopf gehen.
Ich stellte mir die Frage, warum mach ich das eigentlich?

Viele Antworten gingen mir durch den Kopf, vom großen Erlebnis der Extraklasse, bis zum Ziel eines Tages den Weltrekord zu erreichen. Aber was ist mit dem Fisch, wie geht es ihm?
Als ich nach ihm schaute, bog sich der beindicke, grüne Baum, an dem das Seil vom Wels befestigt war, krumm wie eine Angelrute. Er ist ein Raubtier und kennt kein Pardon, wenn er Hunger hat, frisst er erbarmungslos alles lebende, was ihm in das Maul passt. Auf Grund seiner guten Gene und der Seltenheit dieses Fisches, ist es für mich klar, den Fisch wieder in die Freiheit zu entlassen. Aber warum habe ich ihm dann meinen Angelhaken in sein Maul reingerammt, macht das alles Sinn?

Sollten wir Menschen nicht größer und vernünftiger sein?

Ich fragte mich, was ist richtig? Was ist falsch?

Was mache ich in so einem Fall, wenn ich zu den Anglern mit Weitblick und Verstand gehören möchte? Bis heute kann ich mir diese Fragen, nicht befriedigend beantworten.

Die gewaltige Kampfkraft, dieses Fisches hat nicht ausgereicht um mir am nächsten Tag einen ordentlichen Muskelkater zu verpassen, aber im Bereich der Hüfte, dort wo sich das Rutenende im meinen Körper drückte, war ein schmerzhafter, ca. 20cm großer blau, grün, gelber Fleck.

Meine Angelfreunde kamen und gratulierten mir zu diesem Fang und ich war sehr stolz, das ganz alleine, unter diesen Bedingungen geschafft zu haben.

Die Anerkennung meiner Freunde tat mir wirklich gut.
Wie man sieht hat er die 100 kg nur knapp verfehlt.
Die Länge des Welses betrug 240 cm.

So große Fische zu fangen ist aber eigentlich nur das Resultat aus anglerischer Sicht einfach alles richtig gemacht zu haben. Ich bin versucht zu schreiben, das dass jeder könnte, doch das ist nicht so.